Kantillationen - Allgemeines u. Gemeinsames S.3


5. Genesis der Website

Alles begann mit einer Freude, einer Enttäuschung, einigen Grundsatzfragen, einigen Schlüsselerkenntnissen und einer Option als Konsequenz.

a) Freude und Enttäuschung

Freude war bei vielen sangesfähigen und -willigen Liturgen die erste Reaktion auf die Genehmigung deutscher Kantillationen (s. ob. 1).

Bald aber folgte eine Enttäuschung darüber, daß die deutschen Kantillationen sowohl nach den lateinischen Vorbildern (besonders das "Osterlob" [Exsultet] und die deutschen Präfationen) als auch nach den neuen offiziellen deutschen Modellen (vor allem für die Gebete, Lesungen und Schluss-Segen) oftmals weniger befriedigten, als erwartet worden war.

b) Grundsatzfragen

Damit stellten sich einige Grundsatzfragen nach den Gründen für das Ungenügen der deutschen Kantillationen, wieweit das nämlich zurückgeht
(1) auf mangelhafte Übersetzungen, weil unzureichend geeignet für getreue Vertonungen nach den lateinischen oder deutschen Modellen;
(2) auf mangelhafte Vertonungen ungeachtet dessen, ob die Übersetzungen an sich Vertonungen getreu nach den lateinischen oder deutschen Modellen ermöglicht hätten oder nicht;
(3) auf Mangel an gestufter Feierlichkeit besonders bei den Präfationen und dem Osterlob (Exsultet);
(4) auf mangelhafte Eignung der deutschen Sprache insgesamt für Kantillationen nach lateinischen Melodiemodellen;
(5) auf mangelhafte Vortragsweise in Einzelfällen.

c) Schlüsselerkenntnisse

Nähere Untersuchungen der authentischen lateinischen Kantillationsweisen und jahrelange Erprobungen mit deren Anwendungen in deutsch ermöglichten eine kritische Beurteilung der Grundsatzfragen und erbrachten wegweisende Schlüsselerkentnisse über die Möglichkeiten ansprechender(er) deutscher Kantillationen. Diese Schlüsselerkenntnisse betrafen
(1) die bis heute nicht überholte Eignung der lateinischen Kantillationen als liturgischer Vortragsweisen, die im übrigen weder verbesserungsbedürftig noch überhaupt -fähig sind;
(2) die schematische Modellhaftigkeit der lateinischen Kantillationen und die konstitutive Korrespondenz zwischen der melodie- und sprachrhythmischen Struktur;
(3) die analoge Aussprache im Lateinischen und Deutschen, insofern das Lateinische unter fränkischem Einfluß nicht mehr quantitierend, sondern wie das Deutsche akzentuierend gesprochen bzw. gesungen wird;
(4) die im Deutschen durchaus genügend vorhandene Möglichkeit, für Satzmitten und -enden die notwendigen geeigneten "schwach endenden" Wörter mit ein oder zwei unbetonten Silben im Auslauf zu finden;
(5) die prinzipielle Unabhängigkeit der musikalischen Qualität einer Vertonung von dem Schwierigkeitsgrad beim Singen und von der Gefahr einer "Verhunzung" im Falle einer Veröffentlichung der Vertonung.

d) Option als Konsequenz

Die Schlüsselerkenntnisse führten zu der Überzeugung: Was lateinisch kantillierend gut klingt, klingt unter denselben melodischen und sprachrhythmischen Voraussetzungen auch deutsch gut, somit folgerichtig zur

Option
für möglichst getreue Anwendung der authentischen Kantillationsweisen in deutsch
und für eine dazu erforderliche Übersetzung.

In dieser Website muß leider auf die Option für Übersetzungen, die erforderlich wären für getreue Modellanwendungen, verzichtet werden zugunsten der offiziellen Übersetzungen, die bedauerlicherweise oft nur kompromißhafte Modellanpassungen ermöglichen (ausgenommen die inoffizielle Neuübersetzung des Exsultet durch Norbert Lohfink).

Es zeigte sich, daß wirklich modellgetreue deutsche Kantillation für die Vertonung zwei programmatische Unterscheidungen (6) und für die Übersetzung konsequente Anwendung des cursus leoninus (7) erfordert.


Allgemeines und Gemeinsames zur Kantillation, Seite 3
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